Wenn eine Yogalehrerin nach über 3 Jahren Trainingspause wieder auf die Matte steigt, wird es heiß. Nicht nur weil es Hochsommer ist und es draußen um 19 Uhr immer noch 30 Grad hat (selbst schuld, ich hätte mir meinen Neustart auch auf eine andere Jahreszeit legen können) sondern weil auch neben der schweißtreibenden Muskelarbeit, die Emotionen ganz schön am (Über)kochen sind. Bei null anzufangen ist nicht unbedingt der Menschheit liebste Disziplin, und schon gar nicht, wenn es sich dabei um etwas handelt, das frau (also ich) jahrelang (sieben an der Zahl) quasi schon im Schlaf gemacht hat. Nur so viel: Es ist anstrengend. Sau anstrengend und nervt brutal! Allerdings ist das nervenzehrende dabei nicht unbedingt die Bewegung (ja doch, auch), sondern eher der ganze Kopfsalat, der einem dabei durch die Synapsen rauscht. Weil, so ganz nebenbei steigt da auch eine sehr bekannte, sehr pikante und weniger hilfreiche homosapische Kernkompetenz an die Oberfläche: Die Erwartungen. Und die rufen gerade in solchen Momenten unüberhörbar „Hallo“ und werben lästig um ihre Aufmerksamkeit. „Hallooo, jetzt aber zack, zack… „Hallooo, das muss jetzt aber… Hallooo, warum geht das denn nicht mehr…“. So turnt man also völlig entspannt (gelogen) über seine Matte (also ich), versucht dabei seinen Hirnschmalz zusammen zu halten (außer dem Schweiß läuft das eher so semi mäßig) und muss dabei feststellen das es auf einem Stück Kautschuk schon mal eng werden kann.
Die anspruchsvollen Erwartungen sind nämlich gleich von einer kontraproduktiven Fete ausgegangen und haben noch ein paar von der kritischen Verwandtschaft mitgebracht. Zack, und da isser schon, der absolut nicht eingeladene und dennoch lautstark am dazwischen Grölende: Der Vergleich! Wer (s)eine (Lebens-)Party crashen möchte, sollte sich den unbedingt einladen. Er ist die Spaßbremse par excellence. Da steht er mit einem fiesen Grinsen vor mir auf der Matte und macht gleich alles nieder, was ich jemals auf die Beine (im wahrsten Sinne des Wortes) gestellt habe. „Naja, das haste aber auch schon besser hinbekommen…. Ach, schau an, hast wohl zugenommen, da ist der Bauch ein bisschen dicker geworden, kommste nicht mehr soweit runter, wa?... oh man, du willst eine Yogalehrerin sein, eine Schande ist das…. Na, ob du jemals wieder an dem Level anknüpfen kannst, wo du 2020 warst?“ Ja, ja und so weiter und sofort.
Ganz schick in grün gekleidet stolziert dann noch einer von den Missgünstigen über den Mattenteppich. Der Neid das olle Luder und im Schlepptau gleich die Blödheit, sein Bruder (wobei das könnte auch einer von mir sein, so dilettantisch wie ich mir mittlerweile vorkomme). Inzwischen ist es ein wildes Gedrängel auf dem 180cm x 61cm großen Dancefloor und ich kämpfe um jeden Zentimeter Platz beim Maskenball der Emotionen (wer bitte hat euch eigentlich alle eingeladen und wo kommt ihr auf einmal her?). Und irgendwann mal erhebt dann der Schweinehund das Wort (ja, der kann auch anders) und schreit dass es ein Arsch voll Arbeit gewesen wäre, eben jenen von mir wieder hochzubekommen und dass er sich jetzt nicht seinen guten Job von so ein paar Zweiflern kaputt machen lässt. Komischerweise scheint diese Ansage nicht so gut anzukommen, alle Stimmen zetern durcheinander und ab da geht die Brain-Party erst so richtig los… Und ich so: Drehe die Musik mit Moloko „Party Weirdo“ auf Anschlag. Augen zu. Einatmen. Arme nach oben. Ausatmen. Vorbeuge. Einatmen. Halbe Vorbeuge. Ausatmen. Großer Schritt nach hinten. Einatmen. Brett. Ausatmen. Chaturanga. Einatmen. Up Dog. Ausatmen. Down Dog.
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